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13.12.2019

Immobilienmarkt aktuell: Attraktive Steuern im Visier

Steuerchef und Immobilienexperte sind sich einig: «Der Thurgau braucht tiefe Steuern»

Handänderungs- und Grundstückgewinnsteuer gehören seit der Gründung vor 30 Jahren zum Geschäftsalltag bei Fleischmann Immobilien. Werner Fleischmann und der Thurgauer Steuerchef Jakob Rütsche gehen der Frage nach, wie das Steuersystem den Immobilienmarkt beeinflusst.

Vor gut 30 Jahren sind sich Werner Fleischmann und Jakob Rütsche zum ersten Mal begegnet. Fleischmann stand damals kurz vor der Gründung seines Unternehmens. Rütsche arbeitete bereits seit zehn Jahren auf der Steuerverwaltung. Die Begegnung, bei der es um eine steuerliche Angelegenheit ging, ist sinnbildlich, denn: «Steuern zahlt wohl niemand gerne. Auch ich nicht. Aber der Kontakt mit der Steuerverwaltung war schon immer von gegenseitigem Respekt geprägt», sagt Fleischmann. Er selber kenne beim Kanton keine schnellere Abteilung wie diejenige der Grundstückgewinnsteuern: «Wenn eine Frage auftaucht, kann man anrufen und erhält stets eine fundierte Auskunft.»

Steuereinnahmen steigen
Ende Juni 2020 geht Jakob Rütsche nach 41 Jahren auf der Steuerverwaltung und 17 Jahren als deren Leiter in Pension. In dieser Zeit hatte der 67-Jährige immer ein besonderes Auge auf die steuerlichen Entwicklungen im Immobilienbereich: «Die Tiefzinspolitik der Nationalbank führt dazu, dass die Investoren ihr Geld im Immobilienbereich anlegen», erklärt Rütsche. Der Thurgau sei aufgrund der Lebensqualität, der Nähe zu Zürich und den relativ moderaten Bodenpreisen besonders attraktiv. Das führe dazu, dass auch die Preise von bestehenden Immobilien stark ansteigen, sagt Werner Fleischmann. Dies hat wiederum direkte Auswirkungen auf die Steuereinnahmen. Der Vergleich mit Zürich sei interessant, betont Fleischmann. Die Bodenpreise lägen im Nachbarkanton deutlich höher. Besonders frappant sei das Beispiel Kefikon: Die Ortschaft befindet sich auf der Grenze zwischen den Kantonen Thurgau und Zürich. Im Zürcher Teil würden die Immobilien bis zu 40 Prozent höher gehandelt, obwohl die Häuser teils sogar an der gleichen Strasse liegen und die Lage absolut vergleichbar sei. Hingegen werde die Steuerbelastung im Kanton Zürich von seinen Kunden generell als tiefer wahrgenommen. «Und ich stelle fest, dass die Leute lieber mehr Geld für Grundstück und Immobilien bezahlen als für Steuern.» 

Mittelschicht bezahlt mehr
Jakob Rütsche bestätigt: «Das Steuersystem im Thurgau ist so ausgelegt, dass die ganz tiefen und die ganz hohen Einkommensklassen im Vergleich zum Kanton Zürich tendenziell weniger Steuern bezahlen. Die Mittelschicht – also die grosse Masse der Bevölkerung – dafür mehr.» Rütsche glaubt allerdings nicht, dass dies im Standortwettbewerb generell ein Nachteil ist. Im Thurgau lägen nämlich neben den Immobilien- auch die Lebenshaltungskosten wesentlich tiefer als im Kanton Zürich.

Standortwettbewerb ist real
Werner Fleischmann bringt ein weiteres wichtiges Argument für Zuzügler ins Spiel: die Arbeitsplätze. «Grundsätzlich wohnen die Menschen am liebsten dort, wo sie arbeiten.» Genau aus diesem Grund sei die anstehende Steuerreform (siehe auch separater Beitrag unten) für den Kanton Thurgau von grosser Bedeutung, betont Jakob Rütsche. Einerseits gehe es darum, die steuerlich privilegierten Gesellschaften im Thurgau zu halten: Davon gebe es rund 500. Sie müssten bei Ablehnung der Steuerreform auf einen Schlag so viele Steuern bezahlen, dass viele von ihnen den Thurgau verlassen dürften. Andererseits gehe es schlicht darum, wettbewerbsfähig zu bleiben, weil die Nachbarkantone die Steuersätze ebenfalls senken werden. Zwar sei er davon überzeugt, dass die Thurgauer Unternehmer eine starke Verbundenheit zu ihrem Heimatkanton haben. Als Unternehmer gehe es aber immer auch darum, Risiken abzuwägen und dort zu investieren, wo die Zukunft der Firma gesichert werden kann. «Sollte der Thurgau steuerlich zu einer Hochpreisinsel werden, dürften sich die Unternehmer zumindest beim nächsten Ausbauschritt überlegen, weshalb sie diesen nicht in einem steuergünstigeren Nachbarskanton realisieren sollten.»

Stellen für Fachkräfte schaffen
Umgekehrt winken bei einer Annahme der Steuerreform Chancen: Gerade gegenüber dem Kanton Zürich habe der Thurgau den Vorteil von relativ moderaten Lohnkosten. Werde der Thurgau auch steuerlich attraktiver, könnten durchaus Firmen aus dem Kanton Zürich übersiedeln. Von steuerkräftigen Unternehmen profitierten die Thurgauer ganz direkt, sagt Fleischmann. «Vielerorts tragen Unternehmen wesentlich zum Steuersubstrat bei.» Und das Potenzial sei bei weitem nicht ausgeschöpft, ergänzt Rütsche: Im Thurgau stammten nur rund zehn Prozent der Steuereinnahmen von juristischen Personen – also von Unternehmen. Im Kanton Zug betrage der Anteil beispielsweise 40 Prozent. Das habe auch damit zu tun, dass der Thurgau stark von der Landwirtschaft geprägt sei. Mit Blick in die Zukunft hofft Rütsche, dass sich mehr hochspezialisierte Unternehmen ansiedeln werden. Die Steuerreform sieht deshalb einen steuerlichen Superabzug für Forschung und Entwicklung vor: «Damit der Thurgau für Fachkräfte attraktiver wird, müssen wir ihnen passende Arbeitsstellen bieten.»

«Thurgau profitiert langfristig»
Bei der ganzen Diskussion um die Steuerbelastung der juristischen Personen, dürfe nicht vergessen werden, dass auch die natürlichen Personen von der Steuerreform profitieren, betont Rütsche: Die Mindereinnahmen bei natürlichen Personen machten immerhin 13,2 Millionen Franken aus im Vergleich zu 27,4 Millionen Franken bei den juristischen Personen. Zustande kommen die Steuereinsparungen unter anderem durch zusätzliche Abzüge. Gerade angesichts der stetig steigenden Steuerkraft im Kanton Thurgau ist Jakob Rütsche davon überzeugt, dass tiefe Steuern für den wirtschaftlichen Fortschritt im Thurgau entscheidend seien: «Die Steuerreform wird den Thurgau nicht schwächen, im Gegenteil: Sie macht den Thurgau attraktiver und dadurch langfristig gesehen stärker.»

 

    Haben seit über 30 Jahren ein attraktives Thurgauer Steuersystem im Visier:  Jakob Rütsche und Werner Fleischmann.
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