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16.08.2023Der Traum vom Eigenheim bleibt, die Finanzierungsfragen werden komplexer
«Die gestiegenen Zinsen sind ein grosses Thema bei unseren Kundinnen und Kunden », sagt Thomas Koller, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Thurgauer Kantonalbank. Im Gespräch mit Werner Fleischmann, Inhaber von Fleischmann Immobilien, durchleuchtet er den Immobilienmarkt und stellt fest, dass vor allem die Tendenz steigender Zinsen die Nachfrage dämpft. Fleischmann betont, dass Käuferschaften im aktuellen Marktumfeld je länger, desto selektiver würden. Das wundert Thomas Koller gar nicht, denn: «Wer eine Hypothek für eine Million Franken aufnimmt, muss bei der Verlängerung oder Erneuerung seiner Hypothek eine höhere Zinslast tragen als noch vor einem Jahr.» Er bringt es auf den Punkt: «Mieten ist im aktuellen Umfeld in vielen Fällen günstiger als Kaufen.» Doch so einfach sei dann die Rechnung doch wieder nicht, weil beim Kauf von Wohneigentum noch ganz andere Faktoren berücksichtigt würden – zum Beispiel die Wohnqualität. Werner Fleischmann weiss zudem, dass emotionale Entscheidungskriterien beim Kauf von Wohneigentum mitschwängen: «Der Hauskauf ist letztlich auch ein Bauchentscheid.»
Ein Einkommen genügt kaum noch
Der komplexe Immobilienmarkt vereinfacht den Entscheid aber derzeit nicht wirklich. Die begehrten freistehenden Einfamilienhäuser kosten im Thurgau in der Regel über eine Million Franken. Damit rücke der Traum vom Eigenheim für viele in die Ferne, so Koller: «Auch eine gutverdienende Fach- oder Führungskraft kann sich dies im Normalfall nicht mehr leisten.» Die Rechnung ist einfach: Wenn ein Haus 1,25 Millionen Franken kostet, muss eine Familie ein Jahreseinkommen von rund 180‘000 Franken haben, damit die Immobilie tragbar bleibt. Dass die wenigsten so viel in der Lohntüte haben, liegt auf der Hand. Dabei geht Koller von folgenden Rahmenbedingungen aus: einem Mindesteigenkapital von 250’000 Franken, dem gängigen kalkulatorischen Zinssatz von fünf Prozent sowie einem Prozent Unterhaltskosten, die ein Haushalt aufbringen sollte. Fazit: «Besonders jüngere Familien können kaum die nötigen Eigenmittel einbringen.» Deshalb mache die TKB die Erfahrung, dass oft die Familie finanziell unterstütze, beispielsweise durch einen Erbvorbezug. Je nach individueller Situation könnten mit höheren Amortisationszahlungen gewisse Verbesserungen bei der Tragbarkeit erzielt werden. Dass über die «dritte Säule», also mit Geldern aus der privaten Vorsorge, indirekt amortisiert werde, sei die übliche Lösung. Trotz Veränderungen am Markt für Immobilien und deren Finanzierung weiss Koller: «Der Traum vom Eigenheim bleibt.»
Das ganze Umfeld im Fokus haben
Koller betont, dass die Beratungspersonen der Bank immer auch die berufliche Zukunft beziehungsweise das Umfeld einer Familie im Fokus hätten: «Wir möchten auch beim Kauf von Wohneigentum eine verlässliche Partnerin auf Augenhöhe sein.» Deshalb habe sich sein Institut auf die Fahne geschrieben, «mehr als eine Bank» zu sein. «Wir haben den Anspruch, einfach einen Tipp mehr bieten zu können als andere.» Er denke an steuerliche Aspekte, Vorsorgeberatung oder regionale Kenntnisse. Deshalb habe die TKB in ein Beratungstool investiert, dank dem die Auswirkungen von Veränderungen bei den finanziellen Berechnungsgrundlagen simuliert und visualisiert werden.
Online selber oder mit Beratungsgespräch
Indes: Braucht es diese persönliche Beratung angesichts der deutlich rückläufigen Schalterfrequenzen und abnehmenden Bankomatbezügen überhaupt noch? «Unbedingt», ist Koller überzeugt. «Beratung ist oft unerlässlich, gerade wenn es sich um die Finanzierung eines Hausbaus oder eine aufwändige Renovation handelt». Die TKB berate sowohl in der Bank als auch bei den Kunden zu Hause. Generell und auch bei der TKB, die seit 2022 mit myhypo.ch eine Online-Hypothek anbiete, sei die Anzahl online abgeschlossener Hypotheken überschaubar. Meist handle es sich um die Verlängerung bestehender Hypotheken. Fleischmann erwähnt einen weiteren Aspekt: Er bevorzuge Hypotheken von regionalen Instituten: «Diese Banken kennen die Abläufe, liefern schnell das nötige Zahlungsversprechen und die Dokumente für die Kaufabwicklung beim Grundbuchamt. Ebenso können allfällige Rückfragen unkompliziert erledigt werden».
Vertrauen über allem
Vertrauen sei die zentrale Grundlage im Bankgeschäft, betont Koller: «Als Beratungsgrund und Vertriebsbank sind wir in unserer Region gut verankert und machen nur das, was wir können und den Kunden einen Nutzen bringt.» Der Vertrauensverlust – und nicht mangelnde Liquidität oder zu wenig Eigenkapital – sei denn in der Regel auch der auslösende Moment eines «Bankenruns», der in den letzten Monaten eine Schweizer Grossbank oder eine Bank in den USA wegen des Rückzugs von Milliardenbeträgen zu Fall gebracht habe. Die Wahrscheinlichkeit, dass es derartige grosse Rückzüge von Kundengeldern bei der TKB geben könnte, sei sehr tief. Denn: Die Bank geniesse sehr grosses Vertrauen im Kundenkreis. Sie betreibe kein risikobehaftetes Investmentbanking und tätige auch keine Handelsgeschäfte auf eigene Rechnung. Koller verdeutlicht dies wie folgt: «Das Kerngeschäft ist das Hypothekargeschäft, wo Immobilien als Sicherheit hinterlegt sind.» Die Durchschnittsbelehnung bewege sich im Bereich von 60 Prozent.
Keine Angst vor Immobilien-Crash
Laut Koller wird der Fachkräftemangel dazu beitragen, dass die Zuwanderung hoch und die Leerwohnungsziffern im Thurgau tendenziell tief bleiben werden. «Deshalb habe ich keine Befürchtungen, dass es zu einem plötzlichen Immobiliencrash kommt.» Werner Fleischmann doppelt nach: «Angst vor einer platzenden Immobilienblase muss man im Thurgau nicht haben. Und selbst eine kleine Korrektur, die ich erwarte, ist kein Problem. Denn die Stabilisierung des komplexen Immobilienmarktes tut langfristig allen gut.»
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