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15.03.2022

Erben ohne Scherben – warum man besser «mit warmen Händen schenkt»

Wieso nicht für den Immobilienkauf ein Darlehen aus der eigenen Familie einsetzen? Eine interessante Alternative beim Hauskauf. Doch sollte man besonders achtsam sein, sagt der im Erb- und Familienrecht tätige Hans Munz. Der Rechtsanwalt gibt Tipps und skizziert zusammen mit Liegenschaftsexperte Werner Fleischmann einige Fallstricke bei Darlehen, Erbvorbezügen und Schenkungen.

Werner Fleischmann, Inhaber von Fleischmann Immobilien, bedauert, dass bei den heutigen Tragbarkeitsvorschriften der Banken junge Familien oft keine Chance mehr hätten, Wohneigentum zu erwerben: «Warum nicht in der Familie darüber sprechen, ob die Eltern oder Grosseltern bereit wären, einen Teil an ein Traumhaus beizusteuern?» Der Mehrwert sei offensichtlich: «Die Eltern freuen sich, dass sie ihr Geld gut angelegt und ihren Kindern und Enkeln eine Freude gemacht haben. Die jungen Familien haben dann viel Platz, wenn sie ihn wirklich brauchen.»

Familiäre Lösungen gut durchdenken
Diese Gedanken sind dem Amriswiler Rechtsanwalt und ehemaligen Bischofszeller Bezirksgerichtspräsidenten Hans Munz nicht fremd. Aus seiner vielfältigen Anwaltstätigkeit und der intensiven Befassung mit dem Erb- und Familienrecht Weiss er, dass familiäre Geldgeschäfte offen aufgezeigt werden sollten. Auch er persönlich habe in seiner Familie nach Möglichkeiten gesucht, wie er seine Töchter optimal und transparent unterstützen kann. Dabei habe er selber gemerkt, dass bei den Banken die Tendenz zur völligen Absicherung bestehe, «sobald es eine Spur Risiko gibt». Munz betont überdies, dass die wichtigen Geldflüsse oder Vermögensübertragungen gut zu dokumentieren seien: «Ein Bankbeleg allein genügt nicht immer als Beweis.» 

Aufgepasst bei Ausgleichspflicht
Munz unterteilt erbrechtliche Geschäfte einerseits in lebzeitige Bezüge und andererseits in Vermögen, die nach dem Tod vererbt werden. Grundsätzlich rät er mit Blick auf den erhöhten Raumbedarf von Familien mit Kindern, «mit warmen Händen zu schenken», also wenn man noch lebt. Von Bürgschaften rät Munz klar ab. Ob es eine Schenkung sei oder ein Erbvorbezug, sei weniger von Bedeutung. Allerdings müsse man darauf achten, dass es keine Pflichtteilsverletzungen gebe. Bei Kindern bestehe die Ausgleichs pflicht – alle müssen also gewissermassen gleichberechtigt sein beim Erben. Falls der Anteil von pflichtteilgeschützten Erben wie Ehegatten oder Kindern nicht gewährleistet ist, kann eine Herabsetzung verlangt werden. Das bedeutet, dass ein Erbe den Pflichtanteil anderer Erben wiederherstellen muss, indem seine rechtlich nicht zulässige Mehrbegünstigung herabgesetzt wird. Also ist darauf zu achten, dass kein zu hoher Erbvorbezug gewährt oder bezogen wird, da dieser sonst teilweise zurückbezahlt werden muss. Munz führt ein weiteres praktisches Beispiel ins Feld: «Ein Kind erbt ein Haus: Das Haus hat viel mehr wert als die anderen Vermögenswerte, die den Geschwistern übertragen wurden. Folglich müssen die Geschwister so ausgezahlt werden, bis alle mindestens den Pflichtanteil erhalten, der ihnen zusteht.»

Wert gesteigert, Expertise gefragt
Werner Fleischmann ergänzt, dass viele Liegenschaften in den letzten Jahrzehnten eine beträchtliche Wertsteigerung erfahren hätten. Das kann beim Erbgang zu unliebsamen Überraschungen führen, denen man besser vorbeugt. Wenn also die Liegenschaft der Eltern einem Kind übergeben werden, so ist der Anrechnungswert sauber zu ermitteln. Hans Munz: «Wenn beim Erbvorbezug Liegenschaften im Spiel sind, wird es sehr herausfordernd.» Zielführend sei es, so Munz und Fleischmann übereinstimmend, wenn fachlicher Rat beigezogen werde. Unabhängige Experten müssten zwar bezahlt werden, man könne sich dank ihnen aber auch viel Ärger oder andere Kosten ersparen. 

Gegen die «Geheimnistuerei»
Munz erläutert einige weitere spannende Aspekte unter dem Kapitel «Erben ohne Scherben». Es brauche vor allem Offenheit und Transparenz. Es sei zwar keine Verpflichtung, aber doch sehr erleichternd, wenn Nachkommen wissen, was dereinst auf sie zukommt: «Hoffentlich stirbt die Geheimnistuerei bald aus», sagt Munz, denn die Verhältnisse würden immer komplizierter – gerade dann, wenn es um die Erbschaft in Patchworkfamilien geht. Mit Blick auf komplexe Familienkonstellationen meint Munz, dass Schenkungen oder Darlehen ausdrücklich den eigenen Kindern – und nicht gemeinsam den Kindern und Schwiegerkindern – gewährt werden sollten. Dies sei die beste Möglichkeit, Nachkommen optimal zu begünstigen, so lange man lebt. Es sei überdies gang und gäbe, dass Darlehen zu extrem günstigen Konditionen oder gar zinsfrei gewährt werden. Vermutungsweise seien solche Darlehen unter Privaten gemäss dem Schweizerischen Obligationenrecht ohnehin zinsfrei. Nur für kommerzielle Darlehen bestehe im Grundsatz eine Zinspflicht, so Munz. 

An Enkel vererben
Darlehen seien auch die bevorzugte Variante, wenn man seine Enkel begünstigen will, damit sie ein Haus bauen können. Zu beachten sei, dass Kinder der Erben formal keine Erben seien, gibt Munz zu bedenken. «Darlehen an die Enkel sind deshalb durchaus eine sinnvolle Variante des Vererbens, denn oft haben junge Familien das Geld der Grosseltern nötiger als ihre Eltern», erklärt Werner Fleischmann. Ausserdem erwähnt Munz die Möglichkeit, dass Eltern zugunsten der Kinder bewusst auf ihre Anteile verzichten, wenn der Partner stirbt.

    Rechtsanwalt Hans Munz und Liegenschaftsexperte Werner Fleischmann tauschen Tipps über das Erbrecht aus: Wenn Liegenschaften vererbt werden, wird es oft komplex.
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