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02.07.2022

Für das Alter, aber voll dynamisch für alle Generationen

«Corona hat uns durchgeschüttelt. Auch viele junge Menschen kamen damit nicht klar», sagt Raphael Herzog, Geschäftsführer von Pro Senectute Thurgau. Seine Stiftung unterstützt zwar in erster Linie ältere Personen, erfüllt aber einen ganzheitlichen, generationenübergreifenden Auftrag, gerade im Kontakt mit Angehörigen.

Seine Stiftung unterstützt zwar in erster Linie ältere Personen, erfüllt aber einen ganzheitlichen, generationenübergreifenden Auftrag, gerade im Kontakt mit Angehörigen. Sie hilft immer wieder mit, Herausforderungen im Zusammenhang mit Immobilien zu bewältigen.

«Rein biologisch bedingt wird das Angebot an Immobilien in den nächsten Monaten wieder ansteigen», sagt Werner Fleischmann, Inhaber von Fleischmann Immobilien. Seine Analyse des Immobilienmarkts zeigt, dass seit dem Ausbruch der Pandemie Liegenschaften nur sehr zurückhaltend auf den Markt kamen. Und damit werden augenblicklich Parallelen zur Tätigkeit von Pro Senectute deutlich, deren Schwerpunkt in der Begleitung und Beratung älterer Menschen liegt. Dabei steht sie aber oft in Kontakt mit Angehörigen jeden Alters und erfährt sogar, wo der Jugend der Schuh drückt.

«Es tut weh»
Raphael Herzog, Geschäftsführer von Pro Senectute Thurgau ist nachdenklich gestimmt, denn: «Es tut weh, wenn man im Zusammenhang mit dem Zuhause sieht, was man alles hätte einfacher lösen können.» Doch er und sein Teamleiter für Sozialberatung, Raimund Disch, können es nachvollziehen, wie Disch erläutert: «In ein Altersheim geht man erst, wenn es gar nicht mehr geht. Und dann ist meist ein Pflegeheim nötig. » Deshalb erstaune es nicht, dass sich Altersheime generell in einem Prozess der Neupositionierung befänden. Pro Senectute entwickle sich im stark wachsenden Alterssegment dynamisch: Die Beratungstätigkeit nimmt zu, andere Anbieter kommen auf den Markt, die Herausforderungen werden vielschichtiger.

900 Menschen im Einsatz
Pro Senectute Thurgau ist deshalb zu einem veritablen Sozialberatungs- und Dienstleitungsunternehmen angewachsen, das ein professionelles Team mit Fachspezialistinnen und -spezialisten beschäftigt: 33 Festangestellte und weitere 470 Personen mit einem Arbeitsvertrag für ein meist kleines Teilzeitpensum. Die Freiwilligenarbeit von Pro Senectute habe weiterhin eine bedeutende gesellschaftliche Stellung, so Herzog. Es seien immer noch über 400 Freiwillige im Einsatz – zum Beispiel für die Seniorentreffen oder die Haustür-Spendensammlung. Doch werde es immer schwieriger, dafür Menschen zu gewinnen. Die vier Haupttätigkeitsfelder von Pro Senectute Thurgau liegen laut Herzog in der Sozialberatung, in der Freiwilligenarbeit, in Alltagshilfen für mehr Lebensqualität sowie in Freizeitangeboten für Bildung, Begegnung und Sport.

Hilfe im und ums Haus
Im Zusammenhang mit der kostenpflichtigen «Hilfe im und ums Haus» – laut Herzog sogar ein markenrechtlich geschützter Begriff – machen die Mitarbeitenden von Pro Senectute Thurgau spezifische Bedarfsabklärungen, um die richtigen Vertrauenspersonen zuweisen zu können. «Ganz wichtig ist, dass immer die gleiche Person vorbeikommt, wenn dann Hilfe nötig ist», sagt Disch. Besonders gefragt ist die Unterstützung in wirtschaftlichen Aspekten – zum Beispiel der Steuererklärungs- und der Treuhanddienst. Seit letztem Jahr würden wieder Schritte zurück zur Normalität festgestellt, nachdem Hilfeleistende während der Coronakrise oft nicht einmal in die Wohnungen hineingebeten werden konnten: «Aber die Menschen waren in der Not. Oft wurden Probleme ausgestanden, bis Hilfe extrem dringend wurde.» Corona habe soziale Spuren hinterlassen – bis hin zu versteckten Depressionen, die man erst wahrgenommen habe, als Betroffene wieder zu erzählen begannen.

Bedarf steigt weiter
Das Ausmass des steigenden Bedarfs im Zusammenhang mit Wohnraum werde im Zeichen der Normalisierung immer deutlicher, so Disch: «Unsere Mitarbeitenden haben verwahrloste Wohnungen angetroffen – zum Beispiel wegen einer beginnenden Demenz.» Oft sei dabei die finanzielle Lage ebenso angespannt. Das kann Werner Fleischmann bestätigen: «Manche Menschen verpassen die Chance, eine Liegenschaft zu verkaufen.» Bei der Räumung von Häusern mache sein Liegenschaftsteam immer wieder die Erfahrung, dass diese Personen wirklich in Armut lebten und nicht mehr in der Lage waren, das Haus zu unterhalten. «Dabei wären sie Millionäre gewesen, hätten sie das Eigentum verkauft. Am Schluss profitieren nur noch die Erben.» Wenn aber jemand zum Verkauf gezwungen werden müsse, «wird es schwierig», sagt Fleischmann, der gleichzeitig Verständnis aufbringt, denn: «Es ist ein Loslassen. Wer geht schon gerne aus dem eigenen Haus raus?»

Rund 1800 Personen beraten
Die wirtschaftliche Beratung von Pro Senectute sei deshalb von allen Generationen sehr gefragt, verdeutlicht Disch: «Gut 1800 Ratsuchende und deren Angehörige oder Bezugspersonen werden jährlich im Thurgau von unseren sieben regionalen Beratungsstellen begleitet, mit steigender Tendenz. Letztes Jahr leisteten sie rund 5600 Beratungsstunden.» Die Hälfte der Beratungen betrifft finanzielle Fragen mit den hauptsächlichen Themenfeldern Sozialversicherungen, Heim- und Pflegefinanzierung oder Finanzhilfe. Weitere Bereiche sind Recht und Vorsorge, Gesundheit, Wohnen und Lebensgestaltung. «Gut ein Drittel der Menschen, die von uns beraten werden, beziehen bereits Ergänzungsleistungen. » Disch erwähnt ausserdem, dass 2020 gemäss Bundesamt für Sozialversicherungen schweizweit 12,7 Prozent aller AHV-Beziehenden Ergänzungsleistungen erhalten haben. Disch rät deshalb ebenfalls: «Nicht warten, bis die Probleme da sind. Je früher man dies alles regelt, desto besser!» Werner Fleischmann doppelt nach: «Unsere Liegenschaftsfachleute vermitteln gerne entsprechende Fachleute oder unterstützen, um bei einem Hausverkauf geeignete und individuelle Lösungen zu erarbeiten.» Wenn es mit dem Geld eilt, kann ein Verkauf durch gute Kommunikation mit allen Beteiligten in aller Ruhe abgewickelt werden. Umgekehrt besteht die Möglichkeit, einen Verkauf auf ein Jahr hinaus weitsichtig zu planen und mit öffentlicher Beurkundung und Anzahlung abzusichern. Dazu Werner Fleischmann: «Hier können wir unsere Stärke gegenüber all den neuen, automatisierten Online-Portalen ausspielen, denn wir können individuell auf Situationen eingehen.»

Zuwarten nicht sinnvoll
Der Liegenschaftsexperte empfiehlt – auch mit Blick auf die Last von Hypotheken: «Loslassen, wenn die Zeit gekommen ist! Zum jetzigen Zeitpunkt macht es keinen Sinn zuzuwarten. Denn die Immobilienpreise sind auf einem Höchststand und werden nicht mehr steigen, weil wieder mehr Wohneigentum auf den Markt kommt. Die Nachfrage ist noch gut. Nichtsdestotrotz könnte sich eine Veränderung abzeichnen, denn die Zinsen haben sich in kürzester Zeit verdoppelt und die Inflation steigt massiv.» Damit steige die Unsicherheit. Verkäufe, so Fleischmann, nähmen in den letzten Wochen bereits wieder mehr Zeit in Anspruch, bis sie unter Dach und Fach sind: «Es geht nicht mit ein paar Klicks über einen vermeintlich günstigen Internetmakler zu verkaufen. Profunde Marktkenntnisse und erfahrene, lokal verwurzelte Liegenschaftsfachleute, die mit Partnern wie Pro Senectute, Banken und Ämtern im guten und direkten Austausch stehen, können dazu beitragen, eine tolle Lösung für den Prozess des Loslassens zu finden.»

    Raimund Disch und Raphael Herzog, Pro Senectute Thurgau, sowie Werner Fleischmann unterstützen bei Wohnraum-Herausforderungen im Alter.
    Pro Senectute Thurgau zum veritablen Dienstleistungszentrum ausgebaut: Teamleiter Sozialberatung Raimund Disch und Geschäftsführer Raphael Herzog.
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