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22.09.2023Industrie und Immobilien: Die Sonnenseiten der Schattenseiten
Bald schon ein Dauerbrenner ist der grassierende Fachkräftemangel in den meisten Branchen: Gut ausgebildete Mitarbeitende mit hoher Sozialkompetenz und vertieften Kenntnissen sind gefragter denn je, weil die Wirtschaft nach der Corona-Krise unerwartet schnell durchgestartet ist. Dies spüren etwa das europaweit tätige Sonnenschutz- Unternehmen Griesser in Aadorf und Fleischmann Immobilien. Walter Strässle, Verwaltungsratspräsident der Griesser Group, und Griesser Group CEO Urs Neuhauser analysieren mit Werner Fleischmann, Inhaber von Fleischmann Immobilien, das wirtschaftliche Umfeld und dessen Auswirkungen auf ihre Branchen.
Genereller Generationenwechsel
Während Walter Strässle die operative Führung der Griesser Group schon vor fünf Jahren an Urs Neuhauser übertragen hat, wird Werner Fleischmann sein Unternehmen nächstes Jahr in die Hände seines Sohnes Matthias übertragen. Der Generationenwechsel ist in diesen Jahren in der Wirtschaft generell auf vielen Ebenen feststellbar: Die «Generation Z» kommt nämlich ins Erwerbsalter. Diese jungen Arbeitskräfte der Jahrgänge 1997 bis 2012 überholen die «Babyboomer » aus den Jahren 1946 bis 1964 zahlenmässig. Ihr völlig anderes Verhalten im Wechselspiel zwischen Freizeit und Arbeit fordert die Unternehmen heraus. Gefragt sind neue Strategien und ein neues Verständnis, um die Fachkräfte der Zukunft zu finden.
Digitaler Wandel
Der digitale Wandel hat Griesser dazu bewogen, sich – gewissermassen von der Sonne inspiriert – neu zu erfinden. Gerade darin sieht Urs Neuhauser eine grosse Chance. Er sei vom Fachkräftemangel insofern betroffen, als der Kampf um Informatiktalente derzeit besonders gross sei. Deshalb habe man sich bewusst als digitaler Vorreiter in der Branche positioniert, was sich nicht nur auf dem Arbeits-, sondern auch auf dem Absatzmarkt als richtig erwiesen habe. Das langjährige geografische und Segment-Wachstum der letzten Jahre bestätige die Unternehmensstrategie, die unter anderem auf Digitalisierung und Nachhaltigkeit setze. Das habe bedeutet, dass das Unternehmen gezielt investieren musste – in den digitalen Wandel und in das Personalmarketing: «Wir sind überzeugt, dass wir dadurch stabil durch die kommende Phase der Abschwächung hindurchkommen werden.» Walter Strässle betont: «Als Familienunternehmen pflegen wir die Ertragskraft und wollen nicht den Umsatz um jeden Preis steigern.»
Leistungsbereitschaft gefragt
Neuhauser erkennt gewisse Parallelen der Entwicklung auf den Absatzmärkten von Griesser zum Immobilienmarkt, der sich gemäss Werner Fleischmann nach einer Boomphase während der Corona-Zeit ebenfalls abkühlt. Der Wandel erfordert laut Neuhauser, die Bedürfnisse der Kundschaft, des Personals und der Fachpartner besonders im Auge zu behalten. Er verzeichnet im Bereich Montage und Projektleitung auf Baustellen den grössten Mangel an Fachpersonal, stellt jedoch auch eine Gegenbewegung fest: «In diesen Bereichen spezialisierte Personen bekommen bei uns nämlich die Möglichkeit, sich selbstständig zu machen. Das ist eine Win-win-Situation. Denn sie sind dadurch nicht nur motivierter und flexibler, sondern sind ebenso gute Berater und Abnehmer unserer Produkte und stärken dadurch die Glaubwürdigkeit des Unternehmens.» In den vergangenen Boomjahren sei die Belegschaft durch temporäre Mitarbeitende verstärkt worden. Von dieser Flexibilität profitiere das Unternehmen nun.
Die Zuwanderung hält an
Der Fachkräftemangel, so Neuhauser, sei in den europäischen Nachbarländern noch stärker ausgeprägt als in der Schweiz – davon profitiere sein Unternehmen, denn: «Viele Monteure und Handwerker ziehen in die Schweiz – insbesondere aus Deutschland.» Werner Fleischmann sieht diesen Effekt genauso auf dem Immobilienmarkt, wo die im Thurgau vergleichsweise starke Zuwanderung in den letzten Jahren wesentlich zum Boom beigetragen habe. Der digitale Wandel mache es zudem möglich, so Neuhauser, dass nicht wenige seiner Mitarbeitenden ein oder zwei Tage im Homeoffice arbeiteten: «Dadurch sind die Pendelwege bedeutend weiter als früher und reichen bis hinter Zürich. Nicht selten entdecken dann unsere Mitarbeitenden in Aadorf schliesslich den Thurgau als Wohnkanton. Sie schätzen hier die hohe Lebensqualität.» Mit Ausbildungsstandorten der «Griesser Academy» in verschiedenen Ländern werde zudem dazu beigetragen, dass die gewünschte Qualität überall im gleichen Mass sichergestellt werde.
Nachrüstungen bedeuten Potenzial
Obwohl Strässle vor allem in Deutschland eine deutliche Abkühlung der Wirtschaft feststellt und Neuhauser den deutschen Markt als besonders herausfordernden bezeichnet, sehen die beiden auch hierin die Sonnenseiten der Schattenseiten. Neuhauser: «In der Schweiz kennen wir beim Sonnenschutz und der Verdunkelung von Räumen einen hohen Standard.» Weil in verschiedenen europäischen Staaten bei Sanierungen nun aus energetischen Gründen ähnliche Anforderungen gestellt werden, eröffneten sich neue Chancen: «Es hat – zum Teil gesetzlich verordnet – ein Gegentrend eingesetzt, hin zum aussenliegenden, beweglichen und automatisierten Sonnenschutz.» Mehr noch: Die Automatisierung von durchschnittlichen Fenstern könne mittlerweile mit autarken Solarzellen sichergestellt werden. Zu einem «Smart Home» gehöre heute eine «smarte Beschattung». Er hat auch gute Nachrichten für Besitzende von älteren Liegenschaften: Bei Renovationen könne man die Beschattungsinfrastruktur gut digital nachrüsten.
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